Expertinneninterview mit Dr. Isabella Schwarzmaier
CULUMNATURA: Liebe Isabella, du bist Ganzheitsmedizinerin und hast dich auf das Thema Fasten spezialisiert. Was fasziniert dich persönlich am Fasten?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Fasten ist für mich eine Form der Gesundheitsvorsorge, die mich dabei unterstützt, meinen Körper zu reinigen und „schlechte“ Gewohnheiten abzulegen. Durch meine Selbsterfahrungen kann ich mich in meine Patienten gut hineinversetzen und ihnen so die positiven Effekte noch besser vermitteln. Fasten ist für mich ein wichtiger Baustein zur Gesundheitserhaltung und auch bei chronischen Erkrankungen wichtig, um eine Verbesserung des Gesamtwohlbefindens zu bewirken.
CULUMNATURA: Welche gesundheitlichen Vorteile kann regelmäßiges Fasten haben?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Fasten wird in vielen Kulturen und Religionen gerne im Frühjahr oder im Herbst zum Stärken des Immunsystems als spirituelle Praxis genutzt. Es fördert die Achtsamkeit, Selbstdisziplin und das Bewusstsein für den eigenen Körper. Es kann dir helfen, dich von emotionalen Essgewohnheiten und ungesunden Verhaltensweisen zu befreien. Regelmäßiges Fasten hat sowohl körperliche als auch psychologische Vorteile: Durch reduzierte Nahrungsaufnahme sinkt der Insulinspiegel und der Körper wird angehalten, auf seine Fettreserven zurückzugreifen. Als positiver Effekt für viele Menschen wird hier hauptsächlich die Gewichtsreduktion gesehen. Doch weiters kann es zu einer verbesserten Insulinempfindlichkeit kommen. Durch die verminderte Nahrungsaufnahme wird weniger Insulin ausgeschüttet und der Blutzucker in weiterer Folge besser reguliert. Während des Fastens von mindestens 12 Stunden wird die sogenannte Autophagie aktiviert. Das bedeutet, dass unser Körper alte, nicht mehr funktionsfähige Zellen erkennt, diese in Zellbestandteile abbaut und wiederverwertet. Die Zellen werden sozusagen „repariert“. Dies wird auch als „healthy aging“ – gesundes Altern – bezeichnet. Darüber hinaus hat das Fasten auch positive Auswirkungen auf unser Herz-Kreislauf-System, den Blutdruck und die Blutwerte. Fasten beeinflusst zudem unser Darmmikrobiom, unterstützt die Verdauungsgesundheit und stärkt das Immunsystem. Durch die Entlastung der Verdauung und des Körpers beim Fasten wird ein verbesserter Schlaf gefördert. Auch eine verbesserte geistige Klarheit und Konzentration können Folgen sein.
CULUMNATURA: Welche Arten von Fasten gibt es und wie unterscheiden sie sich?
Dr. Isabella Schwarzmaier: In letzter Zeit ist besonders das intermittierende Fasten in aller Munde. Dabei wird in regelmäßigen Abständen gefastet, wobei bestimmte Zeiten ohne Nahrungsaufnahme und Perioden mit normaler Nahrungsaufnahme wechseln. Besonders bekannt ist das 16:8-Fasten, in denen man 16 Stunden fastet und die Nahrungsaufnahme 8 Stunden erlaubt ist. Man kann die Fastenzeiten bis auf 12 Stunden reduzieren. Ab ca. 12 Stunden beginnt der positive Effekt der bereits beschriebenen Autophagie. Es gibt noch andere Formen vom intermittierenden Fasten. Dazu gehört, einen Tag zu essen und einen zu Tag fasten oder das 5:2-Fasten. Dabei wird 5 Tage normal und 2 Tage mit reduzierter Kalorienzufuhr gegessen. Eine weitere Form ist das Wasser- oder Teefasten. Dabei wird keine feste Nahrung zugeführt. Auch das Saftfasten mit Obst- und Gemüsesäften oder Brühen ist beliebt. Als Heilfasten wird spezielles Fasten unter ärztlicher Aufsicht mit Tee und Brühen bezeichnet. Eine Art davon ist z. B. das Fasten nach Buchinger oder das Fasten nach F.X. Mayr. Beim Detoxfasten werden ebenfalls Säfte, Tee und Nahrungsergänzungsmittel verwendet, um den Körper von Stoffwechselendprodukten zu befreien. Beim Low Carb oder ketogenem Fasten wird auf kohlenhydratreiche Lebensmittel verzichtet. Der Körper wechselt dadurch vom Kohlenhydratstoffwechsel in den Fettstoffwechsel. Interessant zu wissen: Auch gestillte Säuglinge befinden sich in einem ketogenen Stoffwechsel. Ich denke, man könnte noch einige weitere Formen anführen. Meines Erachtens ist jedoch zu erwähnen, dass nicht für jede Person jede Form gleich gut geeignet ist.
CULUMNATURA: Welche Rolle spielt die Psyche während einer Fastenkur und wie beeinflusst sie den Erfolg des Fastens?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Fasten kann sowohl positive als auch herausfordernde Auswirkungen auf die Psyche haben. Während es in vielen Fällen zu einer Steigerung der Achtsamkeit und des mentalen Fokus führen kann, sind die Anfangsphasen häufig von Unwohlsein, Reizbarkeit und Konzentrationsproblemen geprägt. Es ist wichtig, beim Fasten auf die eigenen Grenzen zu hören, um sicherzustellen, dass es in einem gesunden Rahmen praktiziert wird, insbesondere bei längeren Fastenperioden oder wenn psychische Gesundheitsprobleme bestehen. In den ersten Tagen kann es zu sogenannten Fastenkrisen kommen, die durch die Umstellung des Körpers vom Kohlenhydrat- zum Fettstoffwechsel bedingt sind. Diese können sowohl körperliche Symptome als auch emotionale Krisen hervorrufen. Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, die Person gut zu begleiten.
CULUMNATURA: Für welche Zielgruppe eignet sich das Fasten besonders und gibt es Kontraindikationen?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Fasten ist für alle möglich, sollte jedoch, je nach Vorerkrankungen, ärztlich abgesprochen werden. Fasten sollte immer freiwillig durchgeführt werden. Ich sehe es als eine Art der Vorsorge, zur Erhaltung von Gesundheit bzw. um den Körper zu entlasten. Vor allem bei chronischen Erkrankungen hat das Fasten häufig sehr positive Effekte. Es gibt einige Kontraindikationen wie Essstörungen, psychische Erkrankungen, akute Infekte, blutende Darmentzündungen, starke Abmagerung oder Untergewicht durch Krebserkrankung. Zudem kann es sein, dass jemand nicht bereit ist für eine Fastenkur.
„Wichtig ist, sich genügend Zeit zu nehmen und sich selbst nicht zu überfordern.“ – Dr. Isabella Schwarzmaier
CULUMNATURA: Welche Herausforderungen können während einer Fastenkur auftreten und wie können diese Phasen unterstützt werden?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Es kann zu sogenannten Kurkrisen kommen. Diese können rund um den 3. Kurtag auftreten, wenn der Körper vom Kohlenhydrat- auf den Fettstoffwechsel umstellt. Die klinischen Symptome können unterschiedlich sein. Es kann zu körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Muskelkrämpfen, Kreislaufbeschwerden oder auch emotionalen Beschwerden führen. Diese können individuell mit der Zugabe von Nährstoffen, einem entgiftenden Leberwickel oder Fußbad unterstützt werden. Bei emotionalen Beschwerden kann eine Gesprächs- oder Craniosakraltherapie unterstützend wirken. Diese Therapien hängen einerseits vom Patienten selbst ab, andererseits natürlich auch vom Angebot der Kuranstalt und des Arztes.
CULUMNATURA: Was sind typische Fehler, die Menschen beim Fasten machen, und wie können diese vermieden werden?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Zu schnelles und strenges Fasten! Dies kann den Körper sehr belasten. Gut wären einige einleitende Fastentage und ein, auf den jeweiligen konstitutionellen Typen, angepasstes Fastenprogramm. Wichtig ist, auch während einer Fastenkur ausreichend zu trinken und danach wieder langsam mit vitalstoffreicher Mischkost anzufangen. Fastenverminderte Nahrungsaufnahme bedeutet immer auch eine Ausnahmesituation für den Körper. Zu häufiges und langes Fasten sollte deshalb vermieden werden. Das kann auf Dauer zum Nährstoffmangel wichtiger Vitamine und Mineralien führen. Stark körperliche bzw. sportliche Belastungen können eine Überforderung während einer Fastenkur zur Folge haben. Öfters habe ich erlebt, dass gestresste Frauen in kurzer Zeit mit viel sportlicher Aktivität möglichst viel Gewicht verlieren wollten. So kann es rasch zu einer körperlichen und emotionalen Überforderung kommen. Eine Fastenkur sollte gut geplant und nicht überstürzt werden. Ausreichend Zeit, Geduld und der Wechsel zwischen Entspannung und Belastung sollten eingeplant werden.
CULUMNATURA: Wie können Menschen den positiven Effekt des Fastens langfristig in ihren Alltag integrieren?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Wichtig ist, sich genügend Zeit zu nehmen und sich selbst nicht zu überfordern. Es hilft, eine konkrete Einkaufsliste zu schreiben, sich immer ausreichend Zeit für die Nahrungsaufnahme einzuteilen und in vollkommener Ruhe zu essen. Weiters ist Entspannung essentiell. Und eine langsame Kostaufbau nach einer Fastenkur ist, meiner Erfahrung nach, ausschlaggebend für den langfristigen Erfolg.
CULUMNATURA: Welche Rolle spielen Bewegung und Entspannung während des Fastens?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Spaziergänge und nicht überfordernde Bewegung sind während des Fastens durchaus möglich. Man sollte jedoch auch ausreichend Ruhephasen einbauen. Die Bewegung sollte max. 20 Herzschläge über dem Ruhepuls liegen. Bewegung im anaeroben Bereich, das heißt anstrengende Sportarten, die wir so nicht gewöhnt sind und bei der wir dann Milchsäure (Laktat) produzieren, sollten während einer Fastenkur vermieden werden. Diese belastet deinen Körper wieder mit Säure. Unser Körper kann sich nur in der Entspannung erholen, dazu müssen wir unseren Parasympathikus – das ist unser vegetatives Nervensystem – ansteuern, der für die Entspannung und Regeneration zuständig ist. Möglichkeiten sind entspannende Massagen, ein Leberwickel, Atemübungen oder Meditationen.
CULUMNATURA: Wie wichtig ist die richtige Vorbereitung auf eine Fastenkur und wie sieht diese idealerweise aus?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Zunächst solltest du dir überlegen, ob du die Kur ambulant oder stationär durchführen möchtest. Die stationäre Durchführung ist oft einfacher, weil die Ernährung und die begleitenden Therapien bereits durch die Kuranstalt organisiert werden. Bei einer ambulanten Kur ist die Vorbereitung mit einer Besprechung des begleitenden Arztes wichtig. Für die Fastenkur bedenke, Folgendes einzuplanen:
- genügend Zeit für die Nahrungsaufnahme
- ärztliche Termine und begleitende Therapien
- Integration im beruflichen Alltag
- konkrete Einkaufslisten
- ausreichend Ruhezeiten und sanfte Bewegungseinheiten
CULUMNATURA: Welche Ernährung empfiehlst du nach einer Fastenkur, um die positiven Effekte zu erhalten?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Nach der intensiven Phase einer Fastenkur sollte ein langsamer Kostaufbau stattfinden, bis schlussendlich wieder vitalstoffreiche Mischkost gegessen wird. Je langsamer der Kostaufbau, umso länger ist der positive Effekt. Das ist vergleichbar mit dem Kostaufbau bei kleinen Kindern. Du probierst ein Lebensmittel und beobachtest, wie der Körper darauf reagiert. Auf die Zufuhr von Rohkost sollte anfangs noch verzichtet werden und diese sollte ebenfalls sehr langsam eingeführt werden. Die neuen Gewohnheiten, sich ausreichend Zeit zum Essen und Kauen zu nehmen, solltest du beibehalten. Höre auf dein Sättigungsgefühl und verzichte auf das Trinken während der Mahlzeiten. Flüssigkeit verdünnt die Verdauungssäfte und dies führt dazu, dass die Nahrung nicht ausreichend aufgespalten werden kann. Es wird generell empfohlen, nur zwischen den Mahlzeiten zu trinken und zwei Drittel der Trinkmenge in der ersten Tageshälfte zuzuführen.
„Je langsamer die Gewichtsreduktion ist und je besser die erlernten neuen Gewohnheiten integriert werden können, desto länger sind die positiven Effekte für die Zukunft.“ – Dr. Isabella Schwarzmaier
CULUMNATURA: Welche Rolle spielt das Kauen beim Fasten und warum wird darauf so viel Wert gelegt?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Wir kennen ja den Spruch: „Gut gekaut, ist halb verdaut.“ Durch das ausreichende Kauen von Lebensmitteln wird genügend Speichel produziert und die Verdauung bereits im Mund eingeleitet. Durch das Kauen wird auch die Produktion von weiteren Verdauungssäften im Verdauungstrakt im Bauch gestartet. So kann der anfangs gut gekaute Speisebrei weiter aufgespalten werden. Durch ausreichendes Kauen kommt es zu genügend Speichelproduktion. Fehlt Speichel, fehlen weiters die Verdauungsenzyme – sowohl im Mund als auch im Darm – und die Nahrung kann nicht gut aufgespalten werden. Durch die fehlende Aufspaltung muss die Nahrung anders geteilt werden und es kommt zur Gärung und Fäulnis im Verdauungstrakt. Länger dauernde Fehlverdauung kann so die Darmwand schädigen und bei längerem Bestehen zu einem „löchrigen Darm“ führen. Zum Schutz der Darmwand bzw. zur Bildung der Schleimschutzschicht ist die Produktion von ausreichend Speichel wichtig, weil sich die Darmbakterien, die für die Produktion dieser Schleimschicht wichtig sind, vom Speichel ernähren.
CULUMNATURA: Welchen Rat würdest du Menschen geben, die sich zum ersten Mal mit dem Thema Fasten beschäftigen?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Eine Fastenkur sollte immer gut geplant werden. Je langsamer die Gewichtsreduktion ist und je besser die erlernten neuen Gewohnheiten integriert werden können, desto länger sind die positiven Effekte für die Zukunft. Die Betreuung durch einen erfahrenen Arzt oder einen Fastenbegleiter ist immer von Vorteil. Zudem sollte auf den konstitutionellen Typen der Person die passende Form des Fastens gewählt werden.
CULUMNATURA: Gibt es eine Anekdote oder Erfolgsgeschichte eines Patienten, die dich besonders berührt hat?
Dr. Isabella Schwarzmaier: Ich kann mich an eine Patientin erinnern – ihre Geschichte werde ich nie vergessen: Bei ihrer Aufnahme berichtete sie, dass ihr Bauch „tot“ sei. Bei der Untersuchung fühlte sich dieser tatsächlich ganz kalt an. Durch die Begleitung während der Fastenkur erlangte die Patientin ihr natürliches Körpergefühl wieder. Ihre Haltung und Ausstrahlung veränderten sich deutlich zum Positiven. Beeindruckend war dann auch, dass ihr Mann bei der Abholung an seiner Frau vorbeiging, weil sich ihr Erscheinungsbild so deutlich verändert hatte.
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Foto: Dr. Isabella Schwarzmaier